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Knallerei

Es sind die letzten Stunden in 2021, das neue Jahr steht vor der Tür und das alte verabschiedet sich mit einer bitteren Träne. Als ich in den Auslauf komme und meine Damen begrüße, werde ich aufgeregt angeschnattert. Alle kommen außer einer. Meine kleine Trude fehlt.

 

Mit einer düsteren Vorahnung gehe ich zum Stall und da liegt sie. Meine hübsche kleine Maus. Meine allererste tatsächlich. Bei der Übergabe der Hennen damals war sie die allererste, die ich aus der Transportkiste holte, das erste Mal, dass ich die weichen Federn streichelte. 

Jetzt ist sie ruhig und still. Ihr Genick ist gebrochen, sie liegt direkt an der Wand, als wäre sie in Panik dagegen geflogen. Gestern Nacht haben auf dem Parkplatz gegenüber Leute über Stunden immer wieder illegal Böller gezündet. Es ist nicht schwer, die Zusammenhänge zu sehen, die schrecklichen Schlüsse zu ziehen. 

IMG 20210629 190633Trude kam mit einer klaffenden Wunde am Bein und einem tiefbegründeten dauerhaften Misstrauen Allem und Jedem gegenüber, dass sie nie wieder so richtig verlieren sollte zu mir. Sie kam aus einem Bodenhaltungsbetrieb, eine von knapp 900 Hennen, die nach einem Jahr Dauerleiden im Namen der „Eierproduktion“ ausgemustert und geschlachtet werden sollte. Ein Verein rettete sie und vermittelte sie und vier Schwestern an mich. 

Anders als die Anderen verlor Trude ihre Scheu und Schreckhaftigkeit nie, fraß als Letzte aus der Hand, verfiel beim Krallenschneiden in Schockstarre. Das erste Lebensjahr hatte sie zu sehr gezeichnet, zu tiefe Narben hinterlassen. Aber sie liebte die anderen Damen kuschelte immer zu zweit im Legenest, war nie weit weg von der Truppe.

Nach all der Ausbeutung und Grausamkeit hatte sie hier eine Familie und ein Zuhause gefunden, nur um schlussendlich durch die Unbedachtheit und Fahrlässigkeit der Menschen zu sterben. 

 

Alle Haustierbesitzer schreien es verzweifelt seit Jahren, endlich zieht die Politik mit:

Liebe Leute, lasst die Knallerei! Schützt Euch und andere und setzt ein Zeichen des achtsamen Miteinanders. Lasst es den Start in das neue Jahr einläuten. 

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